Kloster Arenberg 01
Arenberg
Das Dominikanerinnenkloster Arenberg im Ersten Weltkrieg
Nach der Wallfahrt zum Heiligen Rock nach Trier im Jahre 1844, die nicht nur in den südlichen Rheinlanden die katholische Basis mobilisiert hatte, begann Pfarrer Johann Baptist Kraus (1805-1893) mit dem Bau einer „Landschaftsbilderbibel“ in dem auf einer Anhöhe über Koblenz gelegenen Arenberg. In mit Halbedelsteinen und Muscheln geschmückten Grotten und Kapellen wurden Szenen aus der Bibel, dem Leiden Christi und seiner Mutter dargestellt. Bis kurz vor seinem Tod 1893 arbeitete Pfarrer Kraus an seinem Lebenswerk, das bis in die 1960er Jahre zahlreiche Prozessionen mit bis zu 200.000 Pilgern im Jahr anzog.
Der rührige Pfarrer brauchte Unterstützung. Unmittelbar neben den Pfarrer-Kraus-Anlagen wurde ein Dominikanerinnenkloster gegründet. Was 1868 als Krankenpflegeeinrichtung für die Angehörigen der Pfarrei sowie als geistliche Putzkolonne zur Pflege der Wallfahrtskirche und des Bibelgartens gedacht war, entwickelte sich bald zum Mutterhaus der deutschen Dominikanerinnen und ab 2003 zu einem überregional bekannten „Wellnesskloster“. Diese Bezeichnung trifft aber nicht ganz den Kern, denn es geht den Schwestern vorrangig um ein ganzheitliches Konzept der Leib- und Seelsorge, um Meditation und innere Einkehr, um Hilfestellungen in Umbruchsituationen oder bei einem Neuanfang.
Arenberg ist das Werk dreier außergewöhnlicher Persönlichkeiten: Pfarrer Johann Baptist Kraus gelang es, zunächst seine Pfarrgenossen, führende Persönlichkeiten des Bistums Trier und nicht zuletzt auch die zahlungskräftigen Kurgäste aus Bad Ems für seinen Bibelgarten und die Wallfahrtskirche zu mobilisieren. Die Gründerin des Klosters, die bescheiden auftretende Mutter Cherubine Willimann konnte, nachdem ihr Konvent die von Pfarrer Kraus gesetzten Grenzen überwunden und die Wirren des Kulturkampfes überstanden hatte, über die Schwestern, die Schülerinnen des Haushaltungspensionates und der höheren Töchterschule sowie die im Kloster lebenden älteren Damen einen großen Unterstützerkreis aufbauen, der die Gründung zahlreicher Filialklöster ermöglichte. Als Drittes ist der Beichtvater der Schwestern zu nennen, Matthias Kinn (1847-1914), der sich mit dem Bau des Caritashauses, der Ausbildungsstätte und der Zentrale der im ländlichen Bereich tätigen Krankenbesucherinnen, einen Lebenswunsch erfüllte. Diese Einrichtung sowie ihre gut dokumentierte Rolle im Ersten Weltkrieg muss in diesem Beitrag jedoch unberücksichtigt bleiben.
Die Geschichte des Klosters Arenberg im Ersten Weltkrieg ermöglicht aufschlussreiche Einblicke in die Frage, wie sich das Verhältnis von preußischem Staat und katholischer Kirche in den Jahrzehnten zwischen dem Kulturkampf und dem Ersten Weltkrieg entwickelt hat. Neben der kirchlichen und der politischen Ebene ist auch die gesellschaftliche, die religiöse und die karitative Dimension des Themas zu berücksichtigen. Hinzu kommt die besondere Lage von Arenberg, das nur wenige Kilometer von der großen Garnisons- und Festungsstadt Koblenz entfernt lag, einem zentralen Verkehrsknotenpunkt, der durch die „Kanonenbahn“ mit dem nicht weniger wichtigen Trier und der Westfront verbunden war. Zudem war Koblenz eine stark katholisch geprägte Stadt, und auf dieses katholisch geprägte Milieu in der südlichen Rheinprovinz beziehungsweise im Bistum Trier werfen die Einrichtungen von Arenberg ein Licht.
2. Das Dominikanerinnenkloster in Arenberg
Zur Reinigung der Kirche und zur Pflege der Anlage wollte Pfarrer Kraus ein Kloster errichten. Bis in die 1890er Jahre versuchte er erfolglos, einen Männerorden zur Niederlassung zu bewegen, dessen Angehörige als Maurer und Gärtner die Arenberger Anlage erhalten sowie weitere an anderen Orten anlegen, und die zudem als Beichtväter die Pilger betreuen sollten. 1864 war das Gebäude fertiggestellt, nach langen und schwierigen Verhandlungen gelang es 1868, zwei Dominikanerinnen aus dem Kloster St. Peter in Schwyz zur Niederlassung zu bewegen. Noch 1868 eröffneten diese eine Mädchen- beziehungsweise Handarbeitsschule. Zudem waren sie in der Gemeindekrankenpflege tätig. 1869 wurde ein Pensionat eingerichtet, das von älteren und kranken Damen bewohnt wurde. Darunter waren einige recht vermögende, die dem Kloster Schenkungen machten. Das Leben im Kloster war also nicht nur für heranwachsende Töchter, sondern auch für deren Großmütter attraktiv. Für sie wurde 1888 ein Damenhaus errichtet, das 1895 vergrößert und um ein Herrenhaus erweitert wurde; vereinzelt sind auch Männer als Bewohner nachzuweisen. Ab 1881 beherbergten die Schwestern außerdem Waisenkinder. 1886 zählte man zehn Kinder und 15 Pensionistinnen. 1889 wurde eine sehr erfolgreiche Haushaltungsschule mit Pensionat eröffnet, ab 1898 betreuten die Nonnen zudem die Kurse der Krankenbesucherinnen, die später im Caritashaus untergebracht wurden. Im Jahre 1900 eröffneten sie eine fünfklassige höhere Töchterschule, die 1914 aus Platzgründen nach Euskirchen verlegt wurde. Sie zählte 1910 110 Schülerinnen, die Haushaltungsschule 70.
Der Kulturkampf hatte die Entwicklung des Klosters schwer beeinträchtigt. Ein in den Niederlanden gegründetes Noviziat verselbständigte sich, es kam zu einer schmerzhaften Trennung der Konvente. 1885 wurde Arenberg zum Mutterhaus der Deutschen Provinz der Dominikanerinnen erhoben. Von hier aus wurden ab 1887 zahlreiche neue Niederlassungen an Rhein und Mosel, in Köln sowie in den evangelisch geprägten Industriegebieten an der Ruhr (Düsseldorf, Elberfeld, Oberhausen, Recklinghausen, Remscheid) und in Berlin gegründet. Hier bestand ein großer Bedarf an Einrichtungen der Fürsorge und Seelsorge für die katholischen Zuwanderer, an Kranken- und Waisenhäusern sowie an Kleinkinderbewahranstalten und Töchterschulen. Bis 1916 entstanden 42 klösterliche Gemeinschaften mit 662 Schwestern. Nach einem Bericht der Generaloberin pflegten sie 1913 insgesamt 6.000 Kranke, 700 Erholungsbedürftige und 1.800 Waisenkinder. In den „Mägdeasylen“ wurden 1.000 stellungslose Dienstmädchen aufgenommen und 1.700 Beschäftigungsverhältnisse vermittelt. 3.000 Kinder besuchten Bewahranstalten, 900 Mädchen Handarbeitsschulen und 150 Haushaltungsschulen. Nach der Schule gingen 600 Kinder in einen Kinderhort, außerdem wurden 96.000 Arme gespeist und 20.000 Bedürftige unterstützt. 1913/1914 plante das Mutterhaus sogar die Gründung eines Waisenhauses in der chinesischen Provinz Fokien (Fujian), um der schrecklichen Unsitte der Kinderaussetzung zu begegnen.
Wegen der Fülle der überlieferten Quellen konzentriert sich dieser Beitrag auf zwei Aspekte, auf die Rolle des Arenberger Klosters in der Kriegskrankenpflege und auf die Zeitschrift der Haushaltungsschule, die "Bergesklänge", die ein aufschlussreiches Schlaglicht auf die ideologische Aufrüstung an der "Heimatfront" wirft. Im Sommer 1914 plante man in Arenberg eigentlich schon das „Silberfest“, mit dem das 50-jährige Gründungsjubiläum gefeiert werden sollte. Kloster und Caritashaus hatten einen Höhepunkt ihrer Entwicklung erreicht. Die höhere Töchterschule war Ostern 1914 ausgezogen und hatte Platz für eine lang erstrebte Vergrößerung des Haushaltungspensionats gemacht, das um eine landwirtschaftliche Frauenschule erweitert werden sollte.
Nach dem 1.8.1914 fürchtete man in Koblenz und in Arenberg Kriegshandlungen. Viele Schülerinnen wurden von ihren Eltern abgeholt, die anderen in Gruppen zum Bahnhof gebracht. Aus dem Mädchenpensionat wurde ein Genesungsheim für verwundete Soldaten. 130 Betten stellte man bereit, 16 Schwestern sollten sich um die Verwundeten kümmern. Die Nachfrage blieb jedoch dahinter zurück. Nach ein paar Wochen konnten die Schülerinnen der Haushaltungsschule zurückkehren und in die Räume der höheren Töchterschule einziehen. Der Ausbildungsbetrieb ging weiter, das Wäschewaschen nahm einen großen Raum ein, ebenso die Arbeit in der Lazarettküche. Die Versorgungssituation war angespannt, blieb durch die klostereigene Ökonomie aber erträglich.
Im Januar 1915 füllte das Mutterhaus Arenberg einen Fragebogen des Caritasverbandes aus. Danach hatte der Orden 800 Mitglieder, davon 691 Schwestern und 109 Novizinnen. Davon waren 330 in der Krankenpflege tätig, 311 in eigenen Häusern, zwei beim Roten Kreuz, 16 bei den Maltesern und eine in einem Militärlazarett. An insgesamt 156.185 Tagen wurden 3.547 Personen gepflegt. Nach einer Statistik von 1917 waren in Arenberg 52 Betten belegt und sechs Schwestern im Einsatz. Insgesamt unterhielt der Orden zwölf Lazarette, in denen 199 Schwestern 1.529 Betten betreuten. Die größten waren in Berlin und Düsseldorf.
3. Die Dominikanerinnen im Feldlazarett 51
Am 17.4.1914 schrieb der Geschäftsführer des Vereins der Schlesischen Malteser-Ritter an die Generalpriorin in Arenberg, sie möge im Kriegsfalle insgesamt 20 Schwestern am 20. Mobilmachungstage in das Reservelazarett in Freiburg in Schlesien an der russisch-polnischen Grenze abkommandieren. Der Einberufungsbefehl war ein Jahr gültig. Am 25.8.1914 erhielt die Generaloberin ein Telegramm, die Schwestern sollten erst auf gesonderten Befehl hin einrücken, es wurden zunächst vier und am 19. Oktober acht weitere angefordert; die letzten acht sollte das Reservelazarett direkt ordern.
1867 erhielt der Verein der Schlesischen Malteser-Ritter das Korporationsrecht sowie Statuten, die seine Aufgaben im Bereich der Krankenpflege regelten. 1882 wurde die Kriegskrankenpflege in einem Abkommen des Malteserordens mit dem Kriegsministerium und 1899 durch allerhöchste Sonderbestimmungen geregelt. Auf dieser Grundlage schloss der Verein Verträge mit insgesamt 17 Männer- und 30 Frauenkongregationen über die Stellung von Pflegekräften im Kriegsfall ab. Neben dem Roten Kreuz waren daran die Ritterorden (Malteser, Johanniter), die katholischen Krankenpflegeorden, die evangelischen Diakonissen und die jüdischen Krankenpflegevereine beteiligt. Das Kaiserreich glaubte, seinen Sanitätsdienst generalstabsmäßig auf den Ersten Weltkrieg vorbereitet zu haben, was sich jedoch aufgrund der neuen Form des Stellungskrieges, der neuen Waffen und der Dauer der Auseinandersetzung bald als Irrtum erweisen sollte. Wie in anderen Bereichen der Gesundheits- und Sozialpolitik delegierte es diese Aufgabe an Vereine und kirchliche Institutionen, die ein Heer von freiwilligen Helfern rekrutierten und auch für die Finanzierung verantwortlich waren.
1914 betrieb der Malteserorden das Kriegslazarett des 7. Korps in Münster, des 8. in Koblenz, des 16. in Straßburg sowie das des 51. Korps im Kriegseinsatz; hier stellte er das gesamte Pflegepersonal mit den Seelsorgern. Eigens zu diesem Zwecke gegründete Hilfsvereine in Aachen, Düsseldorf, Essen, Münster und Trier sammelten 2,5 Millionen Mark zu ihrer Unterstützung. In insgesamt 16 Kriegslazaretten mit 14.000 Betten waren 788 Pflegekräfte sowie 227 Feld- und 241 Lazarettgeistliche im Einsatz. Hinzu kamen die Lazarette in der Heimat mit 720 Pflegekräften und 34 Geistlichen. Für Transporte erwarb man für 130.000 Mark den Malteser-Vereins-Lazarettzug S 2.
Im Klosterarchiv in Arenberg liegt ein ausführlicher Bericht von zehn Kriegsschwestern, die in den Jahren 1915 bis 1918 im Kriegslazarett 51 in Polen, Ungarn, Serbien und Frankreich tätig waren. Als Verfasserin lässt sich Schwester Leopoldine aus dem Kloster in Berlin-Steglitz ermitteln. Danach wurden die Schwestern am 5.5.1915 telegraphisch aufgefordert, ins Mutterhaus nach Arenberg zu kommen, und danach umgehend zur Musterung nach Koblenz geschickt, wo sie ihre Erkennungsmarken und eine Eiserne Ration erhielten. Der Oberpräsident der Rheinprovinz, Georg von Rheinbaben (1855-1921), und der Präsident des Malteserordens, Graf Paul Kajus von Hoensbroech (1852-1923), verabschiedeten einen bunt zusammengewürfelten Trupp von 86 Personen, der unter Leitung des Malteserführers Baron [Alfred Stefan Frantiszek] von Chlapowski (1874-1940) in den Krieg zog: Zehn Jesuitenpatres und 63 Schwestern, darunter Franziskanerinnen, Augustinerinnen, Vinzentinerinnen, Töchter vom Heiligen Kreuz und Clemensschwestern. Auch zwei Malteserinnen und ein Seelsorger waren dabei.
Der Bericht enthält zahlreiche Hinweise auf die zum Teil katastrophalen Zustände in den Lazaretten, die schwierigen Lebensbedingungen der Schwestern und das Verhältnis zur Zivilbevölkerung, wobei mehrfach die deutschfeindliche Haltung der Ordensschwestern in den Klöstern, in denen sie untergebracht waren, hervorgehoben wird. Sie kämpften regelmäßig und unter schwierigen hygienischen Bedingungen gegen Ungeziefer und im Lazarett gegen Cholera, Typhus, Ruhr und Malaria. Andauernd wurden Kochsalzinfusionen gemacht, Kampfer, Digalen, Coffein gegeben, aber es half in den seltensten Fällen. 1916 wurde das Lazarett an die Westfront verlegt, in die Nähe der Schlachtfelder von Verdun, zunächst nach Piennes, wo es viel schmutziger war wie im Osten. … Piennes war das schwerste Kriegsgebiet, was wir erlebten. Dann wurde das Lazarett nach Rethel in den Ardennen verlegt, wo es die Rotkreuzschwestern als unerwünschte Konkurrenz ansahen. Die zahlreichen Toten und Verwundeten nahmen die Schwestern sehr mit. Das Gift (Gelbkreuz) richtete entsetzlich viele Menschen zugrunde. Viele erblindeten, waren geistig gestört, verstümmelt. Langsam erfassten wir es, was aus uns Deutschen wurde. Wir hörten von der großen Not zu Haus. Das tat uns weh.
An dieser Stelle seien die Ausführungen zu dem Bericht unterbrochen. In der Zeitschrift „Der Marienpsalter. Monatsschrift für die Verehrer des heiligen Rosenkranzes“, die vom Düsseldorfer Dominikanerkloster herausgegeben wurde, erschien 1915 ein Artikel Schwestern im Kriege. Er berichtet einleitend von dem von Freiherr von Chlapowski geführten Lazarettzug des Maltesertrupps, der [am 7.5.1915] nach Osten ging. Da sich die Leser insbesondere für die Dominikanerinnen interessierten, werden diese namentlich genannt und ihre Klöster (zumeist in Berlin) angegeben. Eine von diesen, Schwester Leopoldine, die unsern Lesern durch ihre Verdienste um die Ostpreußenhilfe schon bekannt ist, schrieb am 6. Oktober [1915] an die Redaktion. Danach folgt ein Bericht von der Abreise in Koblenz und den verschiedenen Stationen an der russischen Grenze, von wo aus auch ein Foto des Maltesertrupps eingesandt wurde. Berichtet wird von der Gefahr durch Flieger und vom Kampf gegen Cholera, Typhus, Ruhr und Scharlach, und das bei mangelhaften Desinfektionsmöglichkeiten. … aber der liebe Gott hat seine Kinder beschützt und ist uns Deutschen immer gut gewesen. Was die vielgehaßten Jesuiten, teils so schwächliche Herren, hier geleistet haben, ist groß, wenn es auch die Weltgeschichte nicht anerkennen will. Kein Opfer ist ihnen zu groß, keine Ansteckung fürchten sie, und viele wurden ja nur durch Ueberanstrengung krank. Das Verbot des Jesuitenordens war 1904 gemildert und 1917 ganz aufgehoben worden. Viele von ihnen haben sich, um ihre patriotische Gesinnung zu beweisen, freiwillig zum Sanitätsdienst gemeldet.
Am 14.1.1916 meldet sich Schwester Leopoldine aus dem serbischen Semendria (Smederevo), wo die Schwestern in Eisenbahnwaggons lebten. Sie bat darum, täglich für die guten Jesuiten zu beten, damit sie recht bald Deutschlands Boden frei betreten dürfen und auch da ihren Wirkungskreis ausdehnen zum Wohle der Katholiken.
Bereits am 21.1.1916 ist aus dem Tagebuch einer auf dem östlichen Kriegsschauplatze pflegenden katholischen Ordensschwester Neues zu erfahren. Sie berichtet: Wochen harter angestrengter Arbeit liegen hinter uns. Wie manchen armen, verstümmelten Krieger haben wir pflegen und auf sein letztes Stündlein vorbereiten dürfen. … O, es ist schwer, in jungen Jahren all das zu verlassen, was einem teuer und lieb auf Erden ist, aber ‚glüh‘, heilige Flamme, glüh‘, glüh‘ und erlösche nie fürs Vaterland‘ [dritte Strophe von „Heil Dir im Siegerkranz“], und so sahen wir denn Jünglinge, fast noch im Knabenalter, und Männer in der Vollkraft ihrer Jahre, die in Begeisterung fürs teure Vaterland den heimatlichen Herd verlassen und zum Kampfe herbeigeeilt waren … Beseelt von dem Gefühle, mitgewirkt zu haben bei der heiligen Sache ihres Vaterlandes, verließen sie voll Zuversicht den Kampfplatz dieses Lebens, um sich den ihnen schon ins Jenseits vorangeeilten Helden anzureihen. Wahrlich, wenn der große Herrgott, der Feldherr aller Feldherren, die endlose Schar der im Kampfe Gefallenen dereinst Revue passieren läßt, werden sie nicht schlecht abschneiden.
Doch nicht nur die Gefallenen, deren freudiges Opfer ihnen ewiges Heil und das ehrenvolle Gedächtnis des Vaterlandes in Aussicht stellt, werden bedacht, sondern auch die Invaliden: Und kannst du auch nicht mehr teilnehmen an dem heiligen Kampfe für dein Vaterland, so kannst du ihm doch helfen, du kannst dich ... auf mancherlei Weise für Dein Vaterland betätigen. Er soll Gott für seinen Schutz danken und für seine Kameraden im Felde beten. Aber glücklicherweise gibt es die erfolgreiche Arbeit in den Lazaretten: Und ihr, die ihr nach kurzer Rast und Pflege in unserm Lazarette wieder in die Reihe der Kämpfenden zurücktreten durftet, euch möge der Herrgott schützen, er segne eure Waffen.
Die Sätze aus der Feder einer Ordensschwester, die für ein breites, dem Dominikanerorden nahestehendes Publikum gedacht waren, liest man 100 Jahre später mit einigem Befremden: Der Krieg ist eine gerechte, ja sogar eine heilige Sache, Gott ist auf ihrer Seite, den toten Helden wird irdischer Nachruhm und himmlische Freude versprochen. Solche Töne finden sich, wie noch zu zeigen sein wird, auch in den „Bergesklängen.“ Aufgabe der Lazarettschwestern war es, die Verwundeten seelsorgerisch zu betreuen und so schnell wie möglich für das Kampfgeschehen wiederherzustellen. Freilich kann man auch einen Wandel feststellen: Den in der Etappe geschriebenen Bericht über die himmlische Siegesparade der toten Helden von 1915 trennen Welten von der Erfahrung des Massensterbens in einem Frontlazarett 1916.
Doch zurück zu dem Bericht aus dem Klosterarchiv. Das schmachvolle Ende des Krieges erlebten die Schwestern in Belgien. In den Wirren der Revolution ging es in einem Güterwagen nach Köln und dann nach Arenberg, wo sie am 16.11.1918 eintrafen. Es war ein unvergesslich trauriges Ende, viel verheerender wie wir es uns vorstellten. … Am meisten tat es uns leid, dass alle Opfer um den heimatlichen Herd zu schützen … umsonst waren. … Jedenfalls wird die Zeit von 1914 – 1918 einen großen Platz in der Weltgeschichte einnehmen ... Ein ausgeprägter Wunsch geht täglich von uns Kriegsschwestern zu Gott: Bewahre unser Vaterland vor einem neuen Krieg! – wir wissen, was er bedeutet. Leider werden die Opfer bald vergessen sein.
Die Berichte der zurückgekehrten Schwestern über die revolutionären Unruhen waren der Anlass für ein Rundschreiben der Generaloberin vom 20.11.1918 an alle Häuser. Nach Rücksprache mit dem Bischof von Trier, Michael Felix Korum (Episkopat 1881-1921), glaubte sie, es sei noch ruhig und nicht erforderlich, das Ordenskleid auszuziehen. Für den Fall, dass sich dies durch die neue Regierung oder die revolutionäre Partei ändern würde, sollten die Schwestern grosse Kittelschürzen aus dunkelblauem, gestreiftem oder kariertem Stoff nähen, die am Halse dicht geschlossen sind mit einem 3 cm hohen Stehbord und unter denen sie das Ordenskleid ungesehen tragen konnten. Wenn schon die Kleidung unterschiedlich sei, sollten die Schwestern die gleiche Kopfbedeckung tragen. Weiter sollten die Schwestern für den Notfall ein Päckchen mit vier Hemden, drei Beinkleidern, zwei Nachtkleidern und zwölf Taschentüchern an einem sicheren Ort verwahren und von der Oberin 300 Mark an Bargeld ausgehändigt bekommen. Die rheinischen Häuser hielt sie für besonders gefährdet, die Schwestern sollten sich im Falle eines offenen Aufruhrs in die Häuser im Osten, im Umland von Berlin absetzen. Auch über die Finanzen machte man sich Sorgen, Geld sollte man an eine sichere Bank in Berlin, Bielefeld, Münster oder Paderborn überweisen. Die Kriegsanleihe soll auch weiterhin giltig sein. Das Schreiben war nur an die Oberinnen der einzelnen Häuser gerichtet, die Schwestern sollten nicht beunruhigt werden. Außerdem wird mitgeteilt, dass die Feldschwestern zurückgekehrt seien. Die drei Vater Unser, die täglich für sie gebetet wurden, können künftig entfallen.
Glücklicherweise waren die Sorgen der Generalpriorin unbegründet, sie zeigen aber deutlich, wie sehr die kirchlichen und auch weltlichen Eliten nach dem Zusammenbruch von 1918 desorientiert waren und eine noch größere Katastrophe fürchteten. Aber in einem anderen Punkt war die Generaloberin allzu leichtgläubig: Ihr Satz Die Kriegsanleihe soll auch weiterhin giltig sein führt zu einem zentralen Aspekt des Themas Klöster und Weltkrieg: Das Kloster Arenberg hatte für gewaltige Summen Kriegsanleihen gezeichnet. Nach einer für das Trierer Generalvikariat bestimmten Zusammenstellung der Generalpriorin vom 6.6.1917 hatte man bei der dritten Kriegsanleihe (September 1915) 18.000 Mark, bei der vierten (März 1916) 24.000 Mark, bei der fünften (September 1916) 15.000 Mark und bei der sechsten (März 1917) 40.000 Mark gezeichnet, insgesamt 97.000 Mark. Ob sich das Kloster an der siebten, achten und neunten Kriegsanleihe beteiligt hat, ist nicht bekannt. Insgesamt wurden im Ersten Weltkrieg Kriegsanleihen in Höhe von 97 Millarden Mark gezeichnet, circa 60 Prozent der Kriegskosten von 160 Millarden Mark. Das Kaiserreich hat also nicht nur die Organisation und die Bezahlung der Kriegskrankenpflege auf kirchliche Institutionen und Vereine und somit auf die Zivilbevölkerung abgewälzt, sondern zum Teil auch die Finanzierung des Krieges. Auch hier wollten sich Orden und kirchliche Schulen als gute Patrioten erweisen und investierten ein Vermögen.
Die von Arenberger Dominikanerinnen betriebene höhere Töchterschule in Euskirchen zeichnete ebenfalls Kriegsanleihen: Im Frühjahr 1918 berichten die "Bergesklänge", das Lyzeum habe bei der letzten – siebten oder achten – Kriegsanleihe – September 1917 oder März 1918 – durch Schulzeichnung 41.060 Mark und durch Werbung 227.400 Mark für die Kriegsanleihe aufbringen können. Bereits bei der dritten bis sechsten Kriegsanleihe hatte man von 1915 bis 1917 für 72.480 Mark Anleihen gezeichnet, mit den eingeworbenen Beträgen kommt man auf 877.900 Mark. Auch wenn die Berechnungen eine Reihe von Unwägbarkeiten aufweisen und die Zahlen wohl nicht vollständig sind, kann man für das Mutterhaus von einem Betrag von mindestens 97.000 und für das Lyzeum vom 113.540 Mark ausgehen.
4. Krieg an der Heimatfront: Die Haushaltungsschule und die „Bergesklänge“
Die Arenberger Haushaltungsschule war als ein-, dann auch als zweijährige wissenschaftliche und praktische Ausbildung für junge Damen in allen Bereichen der Hauswirtschaft angelegt: Kochen, Servieren, Handarbeit, Wäsche, Buchführung und Gartenarbeit, hinzu kamen Gesundheitslehre, Kunst und Literatur, Staatsbürgerkunde und Volkswirtschaftslehre, und zwar alles nach den Grundsätzen der heiligen Religion. Leider sind keine Akten, Notenverzeichnisse oder Klassenlisten überliefert, aber eine Vielzahl von Alben mit Fotos der einzelnen Jahrgänge sowie viele Bilder, die die ehemaligen Schülerinnen von ihrer Hochzeit oder ihren Kindern ins Kloster schickten. Auch von den Klassentreffen, den „Zirkeltagen“, gibt es viele Fotos. All dies wurde in Arenberg sorgfältig gesammelt, beschriftet und archiviert.
Einige Einblicke in das Leben im Haushaltungspensionat ermöglicht ein acht handschriftliche Seiten umfassender Bericht aus der Feder von Anna Stroebelt, geborene Sonnen, die 1890/1891 mit 40 „Pensionärinnen“ die Schule besuchte, und von Minchen Kranz, geborene Friehoff, die die Jahre 1890/1892 hier verbrachte. Der Bericht wurde wohl von Minchen Kranz mit erheblichem zeitlichem Abstand um 1930 verfasst und an das Kloster geschickt. Es war für sie die schönste Zeit unseres Lebens, schrieb sie. Die Tage verliefen nach einem genauen Plan: Aufstehen um 5.00 Uhr, Heilige Messe um 6.00 Uhr, Kaffee um 7.00 Uhr, von 8.00 bis 9.00 Uhr Unterricht: Deutsch, Rechnen, Aufsatz, Gesundheitslehre, Anstandslehre, Religion, Katechismus, Handarbeit, je eine Stunde vormittags und nachmittags. Dazwischen ging es zur Arbeit in Küche, Bügelzimmer, Waschküche, Etagenarbeit, Pensionsarbeit. Alle zwei Wochen war Wechsel. Je nach Belieben gingen wir Freitags in den schönen Anlagen den Kreuzweg, der oft vom sel. Pfarrer Kraus vorgebetet wurde. Sonntags besuchten sie das Hochamt, wo dieser sehr erbaulich predigte. Pfarrer Kraus hatten sie sehr ins Herz geschlossen, sie erinnerten sich seines diamantenen Priesterjubiläums, als die Haushaltungsschülerinnen beim Festmahl im Pensionat 90 Herren das Essen servierten.
Detailliert werden die Feste im Jahreslauf beschrieben: Das Martinsfest, die Weihnachtstage, an denen die meisten Schülerinnen in Arenberg blieben, das Fest der Unschuldigen Kinder (28. Dezember), der Karneval, an dem man sich maskierte und an dem Anna Sonnens Vater, ein Brauereibesitzer, ein Fass Düsseldorfer Bier spendierte, und dann die Fastenzeit mit den Exerzitien. Diese hielt Rektor Kinn, der beste edelste Mensch, den ich je kennen lernte. Seiner Fürsorge verdanken die Schülerinnen ihre blühende Gesundheit: Einfache gesunde Kost in der reinen köstlichen Luft … Die Kneippsche Kur, deren besonderer Protektor Rektor Kinn, ein persönlicher Freund Pfarrer Kneipps (1821-1897), war, wurde oft bei uns angewandt mit stetem Erfolg. Neben der Stadt Koblenz war Kloster Arenberg ein wichtiges Zentrum der Kneipp-Bewegung. An Ostern 1892 war ihre Schulzeit um. War der Anfang von Heimweh geprägt, so gab es zum Abschied ein Jammern und Weinen. … Wie lieb war uns das klösterliche Heim geworden. … Wir wären am liebsten immer da geblieben. Es blieben nur die Zirkeltage und die Lektüre der ab 1916 erscheinenden "Bergesklänge".
Nicht minder aufschlussreich ist ein Bericht, den die später im Saarland lebende Schriftstellerin Natalie Zimmermann (1903-1978) 1927 unter dem Titel „Im Bergheim. Tagebuchblätter aus meiner Pensionatszeit in Arenberg“ veröffentlichte. Neben den Festen im Jahreslauf werden die regelmäßigen Ausflüge in die nähere Umgebung beschrieben. Eine Schifffahrt nach Rüdesheim, eine Reise ins Theater nach Bad Godesberg (heute Stadt Bonn) sowie Wallfahrten nach Kamp-Bornhofen und Marienstatt. Besucht wurden die keramischen Werkstätten in Höhr-Grenzhausen, das Gas- und das Elektrizitätswerk in Koblenz sowie die 1899 eröffnete Provinzialblindenanstalt in Neuwied und das 1925 gegründete Krüppelheim Haus Emmaus in Pfaffendorf. Auch die Fotos und Prospekte aus den 1920er Jahren belegen die Modernität der Haushaltungsschule. Sie zeigen aber auch, dass die Bildungseinrichtung überwiegend von „höheren Töchtern“ besucht wurde, deren Familien weniger an einer hauswirtschaftlichen Berufsausbildung interessiert waren als an einer standesgemäßen und vor allem katholisch geprägten Vorbereitung darauf, als Ehefrau und Mutter einen großbürgerlichen Haushalt zu führen. Auch die erhaltenen Fotos machen das deutlich.
Was aber die Haushaltungsschule, deren gesellschaftliches und kulturelles Milieu gerade vorgestellt worden ist, so interessant macht, ist die Tatsache, dass sie ab Oktober 1916 eine eigene Zeitschrift herausgab: „Bergesklänge. Vierteljahresschrift für unsere lieben ehemaligen Zöglinge“. Leider ist nicht bekannt, wer hinter der Schriftleitung steckte und als „alter Wächter“ Mitteilungen veröffentlichte. Gedruckt wurden Aufsätze, oft von ehemaligen Zöglingen verfasst, und Buchanzeigen. Rezensiert wurden im ersten Band „Frauenglück und Mutterpflicht“, „Vaterländische Erziehung in der Familie als Aufgabe der Mutter“, „Charakterbilder der kath. Frauenwelt“ und „Charitas. Ein soziales Kriegsstück in 3 Akten.“ Es folgen Liste der Ehemaligen, die Nonnen geworden sind oder geheiratet haben, Todesfälle, Verlobungen, Vermählungen und Geburten.
Der Jahrgang 1917 beginnt mit einem Gedicht Unserm geliebten Kaiser zur Geburtstagsfeier – das Fest wurde jährlich in Schule und Pensionat mit großem Aufwand gefeiert – und einem Artikel, der ihn als Verteidiger des Friedens gegen russische Unersättlichkeit, englischen Neid und französische Rachsucht feiert, bis dann Wilhelm der Ungebeugte über seine Feinde triumphiert. Eine ehemalige Schülerin, die Rotkreuzschwester Tine Schulte-Lippern, gab einen eindrucksvollen Bericht von ihrer Tätigkeit in Lazaretten in Vouziers, Rethel und Sedan. Mit großem Pathos wird das Schlachtengetöse geschildert, in unmittelbarer Nähe und oft auch durch Granaten gefährdet, befand sich der Verbandsplatz, an dem sie ihre Pflicht erfüllte. Mit schonungsloser Härte werden der Zustand der Verwundeten und die schwierigen Bedingungen auf dem Verbandsplatz beschrieben. Manchmal erinnern diese und ähnliche Schilderungen an das Leiden der Heiligen oder an die Passion Christi, der Heldentod entspricht dem Martyrium der Glaubenszeugen, und danach finden sich Helden im Himmel wieder. Er blickt hinauf in Himmelsau’n / Wo Heldenväter niederschau’n heißt es in der „Wacht am Rhein“.
1917 findet sich aus der Feder von Oberlehrerin Schw. M. Chrysostoma ein Bericht über die Kriegstätigkeit der Schülerinnen am Lyzeum zu Euskirchen. Er liefert einen interessanten Einblick in den Alltag in der von Dominikanerinnen geleiteten höheren Töchterschule und seiner zunehmenden Militarisierung. Die Siegerlaufbahn unserer Helden in Ost und West zu verfolgen, zählt zu den anziehendsten Aufgaben der Kämpfenden [!] hinter der Front. Es gehört zu den wichtigsten Pflichten unserer Jugend in diesem Völkerringen, die kämpfenden Truppen durch kleine Dienste zu unterstützen. Im Einzelnen erwähnt sie, dass unmittelbar nach der Mobilmachung, als Züge mit tausenden von kriegslustigen Streitern den Bahnhof in Euskirchen passierten, die älteren Schülerinnen die Rotkreuzschwestern bei der Verpflegung unterstützten. Bald danach kamen Züge zurück mit verwundeten Helden, für die im Lyzeum ein Lazarett eingerichtet wurde. Die Schülerinnen besorgten Betten und Kissen sowie Lebensmittel und unterstützten die Küchenschwester. Sie waren stolz darauf, Weltgeschichte einmal „live“ mitzubekommen: sie erlebten täglich Geschichte, und es gab daher für sie nichts Interessanteres, als auf der Karte dem Zuge der kämpfenden Brüder zu folgen. Die Schulfeiern erhielten ein zeitgemäßes Gepränge, neben den Kaisergeburtstagen werden die Elternabende hervorgehoben, die mit Kriegsgesängen und Deklamationen die Färbung der eisernen Zeit widerspiegeln. In Köln und Brühl konnte man (nachgebaute) Schützengräben und Drahtverhaue besichtigen, Luftschiffe und die vielfarbige Kleidung fremder Nationen in der Nähe betrachten. Besondere Erlebnisse waren ein Weihnachtsabend im Lazarett, ein Silvesterabend bei Verwundeten, verschönt durch reiche Spenden und Darbietungen unschuldiger Kleinen [!].
Intensiv wirkten die Schülerinnen des Euskirchener Lyzeums bei den Kriegssammlungen mit. Wolle, Gummi und Metall wurden zusammengetragen, sogar Obstkerne (180 kg) gesammelt. Eine große Menge an Büchern und Zeitschriften haben sie ins Feld geschickt, an Weihnachten 200 kg Stärkungsmittel, Zigaretten usw. Die Gegengaben waren herzliche Dankesworte, die ihnen aus dem Felde zugesandt wurden von jenen, die dort auf einsamer Wacht fern von ihren Lieben Heim und Hof der Kinder schützen.
Eine besondere Rolle spielten die Kriegsanleihen. Die Schülerinnen zogen von Haus zu Haus, von Dorf zu Dorf und konnten einen stattlichen Betrag zusammenbetteln (877.900 Mark). Für das Gemeinleben, den Staatsgedanken, für soziales Wirken haben unsere ‚höheren Töchter‘ durch den Krieg weit mehr Verständnis erhalten, als dies in Friedenszeiten möglich war. Hoffen wir, dass auf dieser Grundlage gegenseitigen Verstehens und hilfsbereiten Opferwillens die herrliche deutsche Einigkeit, die an den Fronten Wunder der Tapferkeit schafft, auch im Innern die Basis einer besseren Zukunft bedeute!
Der Jahrgang 1918 beginnt wieder mit einer Ode zum Kaisergeburtstag. Es mehren sich die Zeichen des Friedens. Man halte dem Kaiser die Treue, bis der mit unendlichen Opfern erkaufte Sieg sich auf unsere Seite neigt und wir den deutschen Frieden erreichen, der uns größer und stärker macht als zuvor. Im Frühjahr 1918 schrieb Lilly Schulte, früher Zögling in Arenberg, jetzt technische Lehrerin in Wattenscheid, für ihre einstigen Mitschülerinnen einen Bericht über das Thema „Was unsere kleinen Mädchen jetzt alles lernen.“ Besonders lobt sie das kürzlich eingeführte Mädchenturnen, beeindruckend sei, wie stramm und schneidig unsere Turnerinnen marschieren können in Gruppen und Schwenkungen. Immerhin hatten die Dominikanerinnen in Euskirchen das Turnen in Turnanzügen statt in Kleidern eingeführt. Breiter Raum wird dem Hauswirtschaftsunterricht eingeräumt, vor allem der Handarbeit: Konnten die Schülerinnen der Oberstufe früher Kleider zuschneiden und nähen, so steht heute vor ihnen ein ganzer Waschkorb mit Strümpfen wackerer Vaterlandsverteidiger aus den hiesigen Lazaretten, die arg zerrissen sind und gestopft werden müssen. Oft kann man die Löcher nur noch mit Leisten und Flicken schließen. Die Strümpfe sehen oft gar putzig aus mit ihren vielen Fenstern, doch sind sie wieder ganz und erfüllen ihren Zweck. Ob die Soldaten an der Front die mehrfach geflickten Socken auch als putzig angesehen haben?
Danach schrieb Paula Scherz, stud. phil. (früher Arenberg) einen Artikel über „Die Frau in der Munitionsfabrik“, wohin sie im Rahmen des Studentinnenhilfsdienstes gelangt war. Detailliert und schonungslos wird die Härte der Frauenarbeit beschrieben. Diese müssten zehn bis zwölf Stunden arbeiten, da die Arbeiterschutzgesetze durch harte Kriegsnotwendigkeit aufgehoben wurden und wirtschaftliche Not viele Frauen zu einer so ausgedehnten Arbeitszeit zwingt. Zum Beginn der Arbeit um 6.00 Uhr eilen zahllose Arbeiterinnen in die Fabrik, während ihnen die Spätschicht entgegenströmt. Nach einer 15-minütigen Pause (am Arbeitsplatz) geht es weiter bis zum Schichtende. In der Freizeit mussten die Fabrikarbeiterinnen dann unter erschwerten Bedingungen Haushalt und Kinder versorgen, während die Väter an der Front standen. Eindrucksvoll schildert Paula Scherz auch die psychischen Veränderungen durch die schwere und monotone Arbeit. Man freute sich nicht auf die freien Tage über Weihnachten, sondern beklagte den Lohnausfall. An den freien Sonntagen ging es zu Kinovorführungen und ins Varietétheater. Groß sei das Lesebedürfnis, leider werden in der Regel nur die bunten Zehnpfennigsheftchen gekauft. Vehement wehrt sie sich gegen den Vorwurf der eingerissenen Vergnügungssucht der Fabrikarbeiterin und gegen die Mißachtung und unwürdige Behandlung dieser Frauen, kritisiert aber auch ihren gänzlichen Mangel an Standesbewußtsein, der sie dazu bringt, ihren Beruf Außenstehenden zu verschweigen.
Weiter gibt Gustl Spitzner-Bender (1887-1982) aus Frankfurt, eine spätere Zentrums- und CDU-Politikerin, einen ausführlichen Überblick über „Caritatives Wirken unserer Frauenwelt im Kriege“. Er ermöglicht einen interessanten Einblick nicht mehr in den Kriegsalltag der wohlbehüteten Schülerinnen der höheren Töchterschule oder einer Werkstudentin in einer Munitionsfabrik, sondern in den einer nicht auf eine Berufstätigkeit angewiesenen Frau der Mittel- oder Oberschicht. Jetzt, wo unsere Männer in Scharen hinausströmten, um das frevelnde Beginnen unserer Feinde mit ihrem Blute abzuwehren, konnte auch die deutsche Frau nicht mehr im Hause bleiben. Aber wo ist mein Platz, fragte sie sich? Diese Frage stellte sich auch der Schar unserer jungen Mädchen, der jungen, kinderlosen Frauen, deren Gatten im Felde stehen, der Frauen in reiferen Jahren, die Zeit haben. Nach einem Aufruf der verehrten und geliebten Kaiserin schlossen sich viele Frauen dem Roten Kreuz und dem Nationalen Frauendienst an, um in der Krankenpflege tätig zu werden. Freilich stellte die Arbeit in den Feldlazaretten und Lazarettzügen erhebliche Anforderungen, die vorbildlich von den Ordensschwestern und den Berufspflegerinnen erfüllt wurden. … zu diesem Zweck [!] wurden schon jahrelang [!] Helferinnen und Hilfsschwestern ausgebildet. Die Helferinnen erhielten theoretischen Unterricht und eine praktische Ausbildung von vier bis sechs Wochen, die Hilfsschwestern mussten sechs Monate lernen. Die Schwestern wollten natürlich direkt hinaus an die Front, doch wurden dann anschaulich die Schwierigkeiten geschildert, in einem halbzerstörten Haus voll Schmutz und Ungeziefer ein Lazarett einzurichten. Sie mussten sogar Brennholz hacken und Kartoffeln schälen, bis unter den eingeborenen Französinnen oder Polinnen geeignete Kräfte zur Hilfe gefunden waren.
Aber auch in der Heimat gab es Lazarette und zudem Soldatenheime für Genesende, in denen Frauen und Mädchen ein reiches Betätigungsfeld fanden: Dort wurden Zeitungen ausgelegt, die Jugendgruppe des Vaterländischen Frauen-Vereins reichte Getränke, es gab musikalische Unterhaltungen und humoristische Vorträge. Kochkurse für Soldaten wurden angeboten, damit diese nach ihrer Rückkehr an die Front auch im Schützengraben ihr Essen zubereiten können. Eine wichtige Rolle spielte die Betreuung der Truppentransporte an den Bahnhöfen, die offensichtlich Aufgabe des Roten Kreuzes war. Bei der Durchreise kamen die Frauen mit Kaffeeeimer und Schöpflöffel, sie verteilten Zigarren und Feldpostkarten. Bei längeren Aufenthalten wurde Suppe ausgeschenkt, Wurst und Tabak verkauft. Besonders schwer war der Dienst der Helferinnen an den kleinen Landbahnhöfen, die nicht einmal eine Überdachung der Bahnsteige besaßen.
Ein weiterer Tätigkeitsbereich war der Kriegsliebesdienst, das Sammeln, Verfertigen und Kaufen von Liebesgaben. Dabei spielten die Schülerinnen eine wichtige Rolle, wenn es Wolltage, Eiertage, Wurst- und Fleischtage gab. Die Wäschesammlung für Ostpreußen-Flüchtlinge wird ausführlich geschildert, ebenso die Fürsorge für die Familien der Kriegsteilnehmer. In diesen Kontext gehören auch Kriegspatenschaften, mit dem Ziel, einem Säugling die Existenz zu sichern, oder die Anfertigung eines Kommunionskleides aus einem Wäschestück der Stifterin.
Es ist hier nicht der rechte Ort, die Mitwirkung der in Arenberg ausgebildeten und später zu den höheren Ständen der Gesellschaft zählenden Absolventinnen zu würdigen, aber es ist zunächst festzuhalten, dass trotz des engen Netzes an Maßnahmen der sozialen Fürsorge, welches der Staat, die Caritas und die Vereine knüpften, ein erheblicher Bedarf und somit ein breites Betätigungsfeld für ehrenamtliches Engagement bestand. Zum Zweiten sollten die sozialen Unterschiede berücksichtigt werden: Zwischen der Frau, die in der Munitionsfabrik arbeitete, während der Mann an der Front stand, und einer Beamtengattin im Vaterländischen Frauenverein, die 6 Mark im Monat für eine Kriegspatenschaft zur Verfügung stellen konnte, liegen Welten. Sowohl die Werkstudentin, die ihre Motive nicht mitteilt, als auch die Beamtengattin verließen ihre alltägliche Lebenswelt, um an der „Heimatfront“ zu kämpfen. Beide Texte sind nicht sehr politisch, aber aus anderen wird deutlich, wie sehr Ideologie und Propaganda die Gesellschaft im Weltkrieg geprägt hatten. Schließlich erscheint bemerkenswert, dass sich trotz der nicht eben günstigen Quellenlage für mehrere Arenberger Absolventinnen eine schriftstellerische Tätigkeit nachweisen lässt. Das letzte Heft der „Bergesklänge“ von 1918 berichtet vom Tod des Rektors Kinn. Im Frühjahr 1919 kann mitgeteilt werden, dass Paula Scherz aus Wesel, die ihr akademisches Studium unterbrochen hatte, um längere Zeit als einfache Arbeiterin in einer Munitionsfabrik zu arbeiten, mit dem Verdienstkreuz für Kriegshilfe ausgezeichnet worden war.
5. Fazit
Die angeführten Quellen zum Dominikanerinnenkloster im Ersten Weltkrieg hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck: Zunächst machen sie seine Multifunktionalität deutlich: Mutterhaus, Gärtnerei, Kinderbewahranstalt, Waisenhaus, Gemeindekrankenstation, Ausrichtung von Kursen für Krankenbesucherinnen, Pensionat für ältere Damen, Haushaltungsschule und höhere Töchterschule. Noch vor Kriegsbeginn war das verkehrsgünstig in der Nähe der Garnisonsstadt Koblenz gelegene Kloster als Genesungsheim vorgesehen, bereits 1914 wurden 20 in der Krankenpflege ausgebildete Schwestern in das Reserve-Lazarett in Freiburg abkommandiert, ab 1915 waren zehn weitere in einem mobilen Kriegslazarett hinter der Front im Einsatz. Nüchtern und weitgehend emotionslos werden die Geschäfte abgewickelt und dokumentiert.
Ein etwas anderes Bild zeichnen die Quellen vom Pensionat der Haushaltungsschülerinnen. Fotos und Texte lassen eine weitgehende Verklärung ihrer Schulzeit erkennen, die aus der Perspektive der schwierigen Nachkriegszeit umso leuchtender erschien. Die „Bergesklänge“ waren mitten im Krieg ins Leben gerufen worden, um den Zusammenhalt der Ehemaligen zu stärken. Darüber hinaus wurden diese über das Schulleben informiert und mit Literaturhinweisen versorgt, die die religiöse Ausrichtung der Haushaltungsschule unterstreichen. Einen beträchtlichen Stellenwert besaßen Gedichte und Aufsätze mit ideologischer Zielsetzung. Auch die Veranstaltungen des Schuljahres in Arenberg und in Euskirchen standen im Dienst der Kriegspropaganda, der Verherrlichung des Kaisers und der Verbreitung der Legende vom gerechten Verteidigungskrieg. Diese Militarisierung, Politisierung und Ideologisierung des täglichen Lebens in Haushaltungsschule und Lyzeum war eine Folge der intensiven Einbindung des Klosters in die wilhelminische Gesellschaft. Die Schülerinnen und die Pensionärinnen, wahrscheinlich auch ein Teil der Schwestern, stammten aus dem vorwiegend großstädtischen höheren Bürgertum der Rheinprovinz. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges und wenige Jahrzehnte nach dem Kulturkampf war die katholische Oberschicht auf die Linie des Staates, des Kaisers und der Militärs eingeschwenkt. Seinen großartigen Aufstieg verdanken das Mutterhaus und seine 42 Tochtergründungen nicht zuletzt der Tatsache, dass sie in der wilhelminischen Gesellschaft vielfältige sozialpolitische, karitative und auch militärische Funktionen erfüllten. Die Arenberger Dominikanerinnen wollten als Krankenschwestern und Lehrerinnen vorrangig in der Leib- und Seelsorge katholischer Kranker, Waisenkinder und Schülerinnen tätig sein, wurden aber zu einem gut funktionierenden Rädchen im Apparat des Staates und dann der Kriegsmaschinerie.